Haushaltsrede 2022

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Töpfer,

sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,

liebe Gemeinderatskolleginnen und Gemeinderatskollegen,

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Wie einem Zukunftsroman entsprungen, erscheint die Zeit, die wir in den letzten zwei Jahren durchlebt haben und gerade immer noch durchleben: Eine Pandemie hat die Welt lahmgelegt. Sie hat weltweit persönliches und menschliches Leid sowie enorme ökonomische und soziale Schäden verursacht. Wer hätte jemals gedacht, dass in einem hochentwickelten Industrieland, wie der Bundesrepublik – immerhin auf Platz vier weltweit- die Situation derart entgleist.

Und ja, die Corona Krise trifft alle Menschen – aber sie trifft nicht alle gleich, denn soziale und gesellschaftliche Ungleichheiten wurden deutlicher denn je. Aber Krisen sagt man, schweißen die Menschen zusammen. Dennoch erleben wir, dass der Zusammenhalt der Gesellschaft bröckelt und Solidarität weicht einem zunehmenden Egoismus und eher antisozialem Verhalten – beides jedoch wirkt krisenverstärkend.

An dieser Stelle möchten wir uns bei der Verwaltung und den Hilfsdiensten für das Krisenmanagement vor Ort und das damit verbundene Engagement im letzten Jahr von Herzen bedanken. Wiederum galt es große Herausforderungen zu bewältigen. Wir danken all den Menschen die „den Laden am Laufen halten“ – im Gesundheitswesen, im öffentlichen Nahverkehr, im Supermarkt, bei Polizei und Feuerwehr.

Denn eines ist sicher: Vieles kann der Mensch entbehren, nur den Menschen nicht.

Seit gut vier Wochen hält uns nun die Neuerscheinung eines Horrorthrillers in Atem.

Dass Gewalt solche Ausmaße annimmt, hätten wir alle nicht zu glauben gewagt. Beim Anblick der Kriegsszenen und dem unendlichen Leid, das die Menschen dort erfahren müssen, überfällt uns blanker Schauer. Unser Mitgefühl gilt all den Menschen dort und unser größter Wunsch ist, dass alles ein baldiges Ende nimmt und wir in Frieden miteinander leben können. Beeindruckend und ermutigend ist aber die große Solidarität, die sich in den letzten Wochen überall gezeigt hat.

Ich meine, bei all dem, rückt der Haushalt unserer Kommune, um den es heute geht, doch ganz weit in den Hintergrund und mag fast bedeutungslos erscheinen. Denn, die politische Entwicklung übertrifft derzeit alles andere und im Focus steht das große Ganze in der Welt. Das Ende dieses Horrorthrillers – ist derzeit nicht vorhersehbar.

Doch für unsere Kommune ist der Haushalt das große Ganze. Wir stellen zum einen die finanziellen Weichen für 2022, aber geben damit auch die Richtung vor, in die wir gehen wollen. Wohin soll sich die Gemeinde entwickeln?

Haushalt 2022 – Die wirtschaftliche Situation der Gemeinde

Die ist nun schon der dritte doppische Haushalt, der heute vor uns liegt.

Der Ergebnis- und Finanzhaushalt

Die Einnahmen aus Grund- und Gewerbesteuer werden sich wohl auf dem aktuellen Niveau einpendeln. Einen weiteren Erhöhungsspielraum bei der Grund- und Gewerbesteuer sehen wir, insbesondere mit Blick auf die aktuelle gesamtwirtschaftliche Lage mit der einhergehenden hohen Inflationsrate nicht.

Die geringere Einnahmensituation führt auch zu geringeren Umlagen an das Land und den Kreis. Natürlich gilt es, alle Aufwendungen auch unterjährig im Blick zu behalten. Der globale Minderaufwand in Höhe von 90% der Budgets ist ein adäquates Mittel dafür.

Der Finanzhaushalt zeigt die Liquidität der Gemeinde Weissach und schließt mit einem leicht positiven Planergebnis von rd. 500 T€ ab. Dies bedeutet, dass wir 2022 voraussichtlich nicht auf Rücklagen zurückgreifen müssen.

Unser Fazit zum Haushalt 2022

Auf den ersten Blick entsteht der Eindruck „na, das sieht ja gar nicht so schlecht aus.“

Erleichterung macht sich breit, oder trügt der Schein?

Bei den Abschreibungen handelt es sich auch in diesem Jahr mit 3,4 Mio € immer noch um einen reinen Schätzwert, da das Anlagevermögen bisher, überwiegend aufgrund der Personalsituation, immer noch nicht bewertet werden konnte und damit eine „große Unbekannte“ in sich birgt. Dies hat zur Folge, dass das Haushaltergebnis nicht korrekt ermittelbar ist und sich hieraus noch deutliche Veränderungen ergeben können. Einen rechtskonformen Haushaltsabschluss kann es daher nicht geben. Damit ist auch eine Beurteilung des Gesamtergebnisses schwer möglich. Vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber zeitlichen Befristung für die Fertigstellung der Bewertung des gemeindeeigenen Vermögens bis im Jahr 2025 und dem damit verbundenen Aufwand für die Verwaltung, sehen wir es nach drei Jahren für dringlich, endlich die Bewertung des Anlagevermögens voranzubringen, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Deshalb haben wir gemeinsam mit der UL einen Antrag gestellt, nunmehr ein Konzept mit Zeitplan zu erstellen und eine schrittweise Umsetzung vorzunehmen, ggf. auch mit Fremdvergabe.

Und, was wir nicht vergessen dürfen, ist der schmerzliche Verlust der 16 Millionen € aus der Greensill-Pleite, welcher, entgegen unserer Auffassung, bereits zum Ende 2021 wertberichtigt und das tatsächliche Ergebnis noch merklich verschlechtern wird. Wäre dies nicht schon geschehen, sähen die vorliegenden Planzahlen 2022 und das Ergebnis katastrophal aus.

Dieses Haushaltsjahr 2022 kann als ein Jahr der Konsolidierung bezeichnet werden.

Die deutlichen Verbesserungen, so warnt uns unsere Kämmerin, verdanken wir überwiegend den hohen Zuschüssen und geringeren Umlagen. Von daher ist es durchaus nachvoll-ziehbar, dass Frau Richter fast gebetsmühlenartig davor warnt, nicht in Euphorie auszu-brechen und nach wie vor auf ein strenges Kostenmanagement drängt.

Ein strukturelles Defizit, aufgrund unseres besonderen Infrastrukturvermögens, lässt sich aber nur schwer vermeiden. Ganz so schlecht geht es uns jedoch nicht: Wir haben keine Schulden, verfügen dennoch über stattliche Rücklagen und damit über ein gutes finanzielles Polster, was uns jedoch nicht zu einem überschwänglichen Ausgabeverhalten verleiten soll.

Deshalb haben wir beantragt, die kommunalen Liegenschaften unter dem Kosten-Nutzen Aspekt hinsichtlich Wirtschaftlichkeit zu beleuchten. Priorität muss dabei sein, Leerstände dringend einer Nutzung bzw. Vermietung/Verpachtung zuzuführen. Bei Gesamtbetrachtung muss auch über mögliche Veräußerungen von Liegenschaften und beweglichem Anlagevermögen bzw. Inventar in den Hallen, nachgedacht werden. Die Umsetzung bleibt abzuwarten.

Zu alldem kommen das nicht vorhersehbare Ende der Pandemie, die weltwirtschaftliche und konjunkturelle Entwicklung und aktuelle Unwägbarkeiten, die große Unsicherheiten in sich bergen. Ganz zufrieden sind wir mit dem vorliegenden Haushaltplanentwurf nicht.

Sichert dieser zwar gewisse Handlungs- und Gestaltungsspielräume, die aber sehr eingeschränkt sind. Wir meinen, dass wir noch ausreichend finanziellen Spielraum haben für Investitionen, insbesondere in Klimaschutz, die sich in jederlei Hinsicht „ertragreich“ für die Kommune auswirken.

Die Verwaltung vertritt weiter vehement die Auffassung, dass die Kommune sich ausschließlich den Pflichtaufgaben widmen soll. Diese teilen wir nicht vollumfänglich. Wirtschaftliche Effizienz darf in bestimmten Lebensbereichen nicht der bestimmende Faktor sein, vor allem dann, wenn es um zukünftige Generationen, also um unsere Kinder und Enkel geht. So liegt uns in diesem Zusammenhang eine zukunftsorientierte, nachhaltige und generationengerechte Gemeindepolitik sehr am Herzen. Kommen doch einer Kommune noch viel vielfältigere Aufgaben zu als einem profitorientierten Wirtschaftsunternehmen. Denn auch freiwillige Aufgaben haben durchaus ihre Berechtigung in vielen Bereichen. Wir vermissen die Bereitschaft hier Ideen und Anregungen aufzunehmen. Visionen und Konzepte kommen uns zu kurz, denn Sie sind unser Schlüssel dafür, Weissach und Flacht fit für die Zukunft zu machen.

Die Herausforderungen 2022

Angefangenes endlich voranbringen und umsetzen

Die letzten beiden Jahre konnte vieles angestoßen, jedoch aufgrund mangelnder Personalkapazitäten nicht wie geplant umgesetzt werden. Dies gilt es aus unserer Sicht nun endlich anzupacken. Es warten wichtige Projekte auf Ihre Umsetzung: Der Hochwasser-schutz, das Starkregenrisikomangagement und der Gewässerentwicklungsplan. Alles drei sind wichtige Projekte, um die Bevölkerung vor den Folgen des Klimawandels zu schützen.

Die Ortsmitte Weissach

Die Planungen werden langsam konkreter und der Fahrplan zur Ortsmitte nimmt Fahrt auf. Weitere Untersuchungen müssen gemacht und Gutachten eingeholt werden. Die Prozesse sind langwierig, die Umsetzung zieht sich. Hier darf nicht vergessen werden, die Bürger*innen, die sich in dem Beteiligungsprozess eingebracht haben, weiter mitzunehmen und natürlich die ganze Bevölkerung. Eine gute und laufende Kommunikation mit allen Beteiligten halten wir für sehr wichtig.

Die Wohnraumentwicklung in der Gemeinde

Auch uns ist die Schaffung von Wohnraum wichtig. Aber wir wehren uns gegen weiteren Flächenverbrauch in den Randlagen auf der grünen Wiese. Dies hat auch die Mehrheit der

Bürge*rinnen beim Bürgerentscheid am 16.09.vergangenen Jahres so mitentschieden. Zum Glück, denn Potentiale im Rahmen der Innenentwicklung gibt es, wie man sieht: Schaffen wir nun auf dem WöhrAreal ein Wohnquartier, auf dem rd. 150- 200 Menschen ein Zuhause finden. Eine gute Alternative finden wir, die auch infrastrukturell leistbar ist.

Unser Antrag vom Juli 2021 zielt darauf ab, das Thema Wohnraumpotentiale und Leerstände ebenso weiter zu verfolgen. Bereits 2015 hat die Firma Ökokonsult einen sehr interessanten Bericht zu Demographie und Immobilien für Weissach bis 2030 erstellt. Diesen zu aktualisieren und fortzuschreiben fand richtigerweise eine Mehrheit im Gremium.

Es ist wichtig, mit Blick auf die weitere Nutzung von Innenentwicklungspotentialen und der damit einhergehenden Verbesserung der Flächeneffizienz, einen aktuellen Überblick über die Leerstände und das potentiell entstehende Angebot, aufgrund der Altersstruktur der Wohnbevölkerung bis 2040 zu erhalten. Gleichzeitig ist es dringend notwendig, ein Angebot von seniorengerechtem Wohnraum, mit möglichem Pflegeangebot in zentralen Lagen zu schaffen. Dieses Angebot ist in unserer Gemeinde völlig unzureichend. Es ist daher eine Aufgabe und Herausforderung, hierfür zeitnah Quartiere zu schaffen. Für uns ein zwingend erforderlicher Schritt in die richtige Richtung einer modernen, kommunalen Wohnraumpolitik.

Die größte Herausforderung: Der Klimaschutz

Am Ende komme ich zu unserer größten Herausforderung, dem Klimaschutz.

Eines Tages wird alles gut sein, das ist unsere Hoffnung. Heute ist alles in Ordnung, das ist eine Illusion“ (Voltaire)

Zu komplex ist die Gegenwart – zu herausfordernd die Zukunft.

Das Lehrbuch zum Klimawandel erfährt wieder einmal eine weitere überarbeitete Auflage:

Der Winter – ist bisher wieder ausgeblieben – Schneemengen, die zum Schlittenfahren einladen – Fehlanzeige. Das begonnene Frühjahr – ist bereits jetzt von massiver Trockenheit gekennzeichnet. Regen seit Wochen – Fehlanzeige. Aussichten: schlecht!

Das Satiremagazin „Der Postillon“ regte bereits 2018 deshalb italienische Restaurants an, anstelle der beliebten Pizza „Quattro Stazione“ die Pizza „ Tre Stazione“ auf die Speisekarte zu nehmen: Frühling, Sommer, Herbst.

Ds Klimaschutzkonzept der Landesregierung macht hier klare Vorgaben – und die Kommunen sind der Schlüssel zum Erreichen der Klimaziele!

Unser Antrag einer Sanierungsstrategie der kommunalen Liegenschaften liefert ein Ansatz hierzu. Um einem massiven Sanierungsstau in den Folgejahren vorzubeugen, halten wir es für dringend erforderlich, eine Bestandsaufnahme über notwendige Reparaturen und Sanierungsmaßnahmen, durchzuführen. Eine fachgerechte und laufende Unterhaltung unserer Liegenschaften erspart uns langfristig hohe Aufwendungen. Beim Gebäude-

management erwarten wir zukünftig in besonderem Maß ein ökonomisch nachhaltiges Wirtschaften. Alle Maßnahmen sind zwingend unter dem Aspekt eines energetisch sinnvollen CO2-neutrales Gebäudemanagement zu betrachten und mittelfristig strategisch zu planen. Wir sehen insbesondere energetische Sanierungsmaßnahmen als Wert-erhöhung des Anlagevermögens. Sie stellen für uns eine alternative, ertragbringende Anlageform dar. Hier hat die Verwaltung bereits reagiert. Entsprechende Gelder für Sanierungsfahrpläne sind im Haushalt eingeplant. Das begrüßen wir sehr!

An dieser Stelle ein ganz besonderer Dank an unseren Klimaschutzmanager Herr Karczag für sein großes Engagement und seine tolle Arbeit bisher.

Ebenso freut es uns, dass unser Antrag zur Erweiterung insektenfreundlicher Blüh-wiesen weiterverfolgt wird. Hierfür plant die Verwaltung 2022 weitere 2000 qm vorzusehen. Leider fanden unsere Anträge zur Umsetzung der Mitfahrbänke und die Auflage eines kleinen Förderprogrammes für Solarsteckeranlagen keine Mehrheit im Rat. Ebenso wurde unser überfraktioneller Antrag mit der Unabhängigen Liste für die Einrichtung eines Notstromaggregates im Feuerwehrmagazin mehrheitlich abgelehnt. Aber genau die Folgen des Klimawandels lassen befürchten, dass wir die Feuerwehr in Zukunft mehr denn je brauchen werden. Extreme Wetterereignisse werden deutlich häufiger auftreten und unsere Feuerwehren vor weitere Herausforderungen stellen. Sie wird mit mehr und schwierigeren Einsätzen gefordert sein. Daher müssen wir dafür sorgen, dass die Feuerwehr und Rettungsdienste personell und technisch stets sehr gut aufgestellt sind. Die vielen Ehrenamtlichen leisten einen unheimlich wichtigen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung.

Deshalb unser Appell: Wir sollten dieses Thema unbedingt nochmals zeitnah aufgreifen und nicht auf die lange Bank schieben!

Als Ergebnis steht für uns fest: Über all unserem Handeln steht ein übergeordnetes Ziel: Der Klimaschutz. Alle zukünftigen Entscheidungen müssen unter dem Aspekt des Klimaschutzes getroffen werden, denn wir alle sind auf eine intakte Umwelt angewiesen. Die Gemeinde ist gut beraten, diesen Weg weiter intensiv zu beschreiten: Klimaschutzziele müssen klar priorisiert und konsequent verfolgt werden, um Weissach und Flacht auch für die nachfolgenden Generationen lebenswert zu erhalten.

Die Personalsituation

Einige unserer Anträge wurde aufgrund von Personalvakanzen und damit verbundenen Personalengpässen abgelehnt. Das finden wir schade! Ziel muss sein, schnellstmöglich vakante Stellen zu besetzen und auf Kontinuität und Konstanz in der Verwaltung zu setzen, damit alle Dienstleistungen zur Zufriedenheit der Bürger*innen erbracht werden können. Dies war in der Vergangenheit nicht immer der Fall, was auch in der Bevölkerung für großen Unmut sorgte. Unsere volle Unterstützung hierzu, ggf. auch mit mehr Stellen, sagen wir zu.

Zum Schluss steht fest: Wir alle gehen erneut weiter in ein ungewisses Jahr 2022. Auch wenn wir uns alle die „alte Normalität“ zurückwünschen, müssen wir uns der aktuellen Situation mit viel Geduld, Mut und Kampfgeist stellen – Schwierige Zeiten bieten immer auch Chancen und Möglichkeiten zu Veränderungen und Umbrüchen. Unser Blick muss sich nach vorne richten, denn nicht nur das Heute ist herausfordernd, sondern das Morgen. Aber:

Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht.“ (Marie von Ebner-Eschenbach)

Dem vorliegenden Haushalt 2022 kann unsere Fraktion zustimmen, wenn auch wir stärkere, zukunftsweisende Akzente vermissen.

Ein großer Dank an unsere Kämmerin Frau Richter und Herrn Weth für das ausführliche Zahlenwerk und allen Mitarbeiter*innen der Verwaltung, die am Haushaltsentwurf mitbeteiligt waren. Unser Ansporn ist es, unsere Gemeinde auch 2022 weiter zukunftsfähig mitzu-gestalten!

Petra Herter, Fraktionsvorsitzende
BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN OV Weissach-Flacht

 

Download der Haushaltsrede als pdf

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