Haushaltsrede 2023

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Millow,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
liebe Gemeinderatskolleginnen und Gemeinderatskollegen, liebe Bürgerinnen und Bürger,

Unter dem Motto „Die Zukunft im Blick“ wurde dem Kreistag im März von der Firma Prognos, die alle drei Jahre den sog. „Zukunftsatlas“, also die Zukunftsfestigkeit aller Kreise in Deutschland anhand von 29 sozioökonomischen Indikatoren bewertet, hervorragende Zukunftschancen im Bereich Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt für unsere Region bescheinigt. Im Ranking von rund 400 Regionen steht der Landkreis mit seinen 26 Städten und Gemeinden immerhin an 6. Stelle. Ein beachtliches Ergebnis! Die Tatsache, drei Großkonzerne in unserem Landkreis zu haben, die trotz der Krisen maximale Gewinne einfahren, sind hierfür natürlich mit ein Grund. Aber Wirtschaftswachstum allein, kann nicht mehr der entscheidende Indikator für Wohlstand sein. Zukünftig muss dieses im Einklang stehen mit sozialen und ökologischen Aspekten.

In 2023 bekommt dies auch unsere Kommune durch hohen Gewerbesteuereinnahmen wieder deutlich zu spüren, was uns einen erhöhten Handlungsspielraum gibt.

Weissach konnte bis heute noch seine ländliche Struktur bewahren. Darüber sind wir sehr froh und wissen dies zu schätzen. Schaut man in die prosperierende Region Sindelfingen, Böblingen, finden wir es umso wichtiger, ein Augenmerk darauf zu legen, dass dies so bleibt.
Deshalb ist nun unsere Aufgabe, diesen Handlungsspielraum klug und kreativ zu nutzen und die Gemeinde so zukunftsfähig zu machen, um unseren Bürger*innen ein gutes, gesundes und sicheres Leben zu ermöglichen. Dabei steht für uns fest: Klimaschutz und die Anpassungen an die Klimafolgen beginnen hier, bei uns vor Ort!

Wie sieht nun unser Haushalt aus?
Unsere Einnahmen von 120 Mio € bestehen in diesem Jahr zu 90% aus der Gewerbesteuer.

Die prognostizierte Einnahmenerhöhung bei der Gewerbesteuer um rd. 110 Mio €. lässt bestimmt jeden Kämmerer strahlen! Allerdings drängt sich in diesem Zusammenhang unmittelbar die Frage auf, wie nachhaltig sind diese Einnahmen im Hinblick auf die kommenden Jahre? Und genau darauf gibt es keine verlässliche Antwort, denn die Gewerbesteuer ist eine gewinnabhängige Steuer und mögliche rechtliche Vertragsgestaltungen machen Zukunftsprognosen eigentlich unmöglich.
Den Vorschlag der Verwaltung, einen sog.“ fiktiven Stammhaushalt“ zu implizieren, der im Zweifel auch ohne die hohen Gewerbesteuereinnahmen der Firma Porsche auskommt, und einen stabilen möglichst ausgeglichenen Haushalt mit den Pflichtaufgaben, aber auch freiwilligen Leistungen gewährleisten soll, halten wir für gut und richtig. Aber dieser „Kernhaushalt“ würde rechnerisch mit einem Defizit abschließen, wie in den vergangenen Jahren. Deshalb gilt es weiterhin, die einzelnen Aufwendungen im Blick zu behalten, kritisch zu prüfen und Gelder so zu investieren, dass sie langfristig zu Kosteneinsparungen führen. Allerdings hat unsere Kommune immer noch die Sondersituation der infrastrukturellen Doppelstrukturen, die einen hohen Fixkostenanteil mit sich bringen.
Aber die angedachte Strategie, mit den Gewerbemehreinnahmen geplante Projekte ausschließlich mit externen Beratungsfirmen und Fremdvergaben durchzuführen, um damit die Personalkosten konstant zu halten, sehen wir kritisch und unterstützen dies nur teilweise. Eine Beauftragung externer Beratungsfirmen ist in der Regel immer teurer. Das Knowhow steht der Verwaltung nicht dauerhaft zur Verfügung. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass von diesen Einnahmen mehr als die Hälfte an Umlagen, wie z.B. Kreisumlage zeitverzögert gezahlt werden müssen. Uns verbleiben daher netto knapp 50 Mio €.
Bei den Abschreibungen handelt es sich auch in diesem Jahr mit 3,4 Mio € immer noch um einen reinen Schätzwert, da das Anlagevermögen weiterhin nicht umfassend bewertet ist und damit noch große Unsicherheiten hinsichtlich der Höhe in sich bergen. Eine Eröffnungsbilanz, die für einen rechtskonformen Haushaltsabschluss notwendig ist, steht daher weiter aus. Damit ist eine abschließende Gesamtbeurteilung der finanziellen Haushaltssituation nicht möglich. Wir wissen aber, dass die Verwaltung versucht, dieses Problem durch Fremdvergabe zügig zu beseitigen. Das ist sehr gut!

Das Fazit und unsere Vision: Weissach auf dem Weg zur Klimaneutralität!

Unsere Fraktion hat sich mit Anträgen zu diesem Haushalt zurückgehalten und einige Ideen hintenangestellt. Wir wissen, dass die Verwaltung mit den vielen neuen Mitarbeiter*innen eine entsprechenden Einarbeitungszeit benötigt.

Unser Ziel ist es:
• die Verwaltung zu unterstützen, die notwendigen Themen voranzubringen
• verschiedene Mitarbeiter*innen zu entlasten
• und langfristig Kosten für die Kommune sparen

Deshalb haben wir gemeinsam mit der Unabhängigen Liste einen Antrag zur Personalaufstockung um eine Vollzeitstelle „Umwelt- Natur und Klimaschutzmanagement“ gestellt.
Die Notwendigkeit, Kommunalpolitik klimafreundlicher und nachhaltiger zu gestalten, führt zu einer enormen Steigerung der Querschnittsaufgaben, die mit dem bestehenden Personalschlüssel nicht mehr zu bewältigen sind. Die zuständigen Mitarbeiter*innen in den einzelnen Fachbereichen sehen sich einer wachsenden Zahl von neuen, zusätzlichen Anforderungen im Umwelt-, Natur und Klimaschutzmanagement gegenüber. Die von der Verwaltung vorgesehene Beauftragung von externen Fachbüros wird der Bedeutung nicht gerecht. Wir sind der Meinung, dass es unerlässlich ist, zukünftig nach rd. 4 Jahren wieder Kompetenzen im Natur- und Umweltschutz vor Ort zu schaffen, da die Aufgaben langfristigen Charakter haben und eine nachhaltige, fachliche Verankerung in der Verwaltung notwendig machen. Seit Jahren wurde die Führung des Ökokontos vernachlässigt und wird derzeit aufgearbeitet. Ebenso fehlt in diesem Zusammenhang der Überblick über die Ausgleichsmaßnahmen. Leider wurde unser Antrag mehrheitlich abgelehnt. Dies zeigt uns, dass der Natur- und Umweltschutz in unserer Gemeinde weiter hintenansteht und nicht den Stellenwert hat, der zwingend notwendig ist.

Doch genau eine intakte Natur und Umwelt sichert unsere Lebensgrundlage.

Die neue Berechnung des Klimasachverständigenrates vom März geht für Baden-Württemberg von einem Temperaturanstieg bis 2040 von 3 Grad aus. Damit hatte man erst im Jahr 2100 gerechnet. Dabei führt die rasche Veränderung, zu schwerwiegenden Umweltveränderungen und man müsse den Tatsachen ins Auge sehen, so die Fachleute. Genau dies sind Aufgaben, die zusätzlich auf die Kommunen zukommen. Sie müssen angepackt und umgesetzt werden – dafür bedarf es Personal.

Natürlich stehen wir mit dem vorliegenden Haushalt sehr gut da. Eröffnet uns doch ungeahnte Chancen. Unser Ziel muss sein, dieses Kapital „maximal gewinnbringend anzulegen“. Und damit meinen wir nicht ausschließlich in Geldanlagen auf Kapitalmarktkonten, die Zinsertrag bringen. Nein, unsere Fraktion ist der Meinung, die langfristig “ gewinnbringendsten“ Investitionen, sind Investitionen

  • zur CO2 Neutralität unserer kommunalen Liegenschaften
  • in eine zukunftsfähige Infrastruktur, z. B. Energieunabhängigkeit
  • in weitere Maßnahmen zum Klimaschutz und Klimafolgenanpassung z. B. Hitzekonzept für die Ortmitten
  • Investitionen die unser soziales Miteinander stärken, z. B. Unterstützung der ortsansässigen Vereine
  • und besonders Investitionen in die Zukunft unserer Kinder im Rahmen einer guten und verlässlichen Kinderbetreuung, die den Anforderungen der Eltern und Arbeitswelt gerecht wird.

Herausforderungen und Aufgaben 2023

Angefangenes und Liegengebliebenes nun endlich voranbringen und umsetzen!
Aufgrund der lange und prekären Personalsituation gab es in den letzten Jahren zahlreiche Versäumnisse. Viele Aufgaben sind liegen geblieben, Projekte wurde vor sich hergeschoben.
So warten diese auf ihre Umsetzung, die wir nur stichwortartig beschreiben möchten:

  • Der Sanierungstau unserer kommunalen Liegenschaften muss dringend beseitigt werden. Bereits in den vergangen zwei Jahren haben wir Anträge zu einer Sanierungsstrategie der kommunalen Liegenschaften gestellt, um einem massiven Sanierungsstau und den damit verbundenen hohen Kosten in Folgejahren vorzubeugen. Jetzt ist genau das eingetreten! Eine fachgerechte und laufende Unterhaltung unserer Liegenschaften erspart uns langfristig hohe Aufwendungen. Wir finden es sehr gut, dass die Verwaltung nun wieder Wartungsverträge für alle Liegenschaften abgeschlossen hat. Wir sehen insbesondere energetische Sanierungsmaßnahmen als Werterhöhung des Anlagevermögens und stellen für uns eine alternative und sehr ertragreiche Anlageform dar. Entsprechende Gelder für Sanierungsfahrpläne sind nun eingeplant. Das begrüßen wir sehr!
  • Eine Übersicht und Weiterentwicklung der kommunalen Liegenschaften ist zwingend. Schon 2022 forderten wir eine Gesamtübersicht über alle Liegenschaften und ein Konzept für die weitere Vorgehensweise unter wirtschaftlicher Betrachtung.
  • Bauhof bleibt im Ort! Er wird umfassend energetisch saniert und so geplant, dass er gut für die Zukunft aufgestellt ist. Eine sehr gute und sinnvolle Entscheidung! Die zentrale Lage hat enorme Vorteile durch kurze Wege innerhalb beider Ortsteile. Die Sanierung und Erweiterung zusammen, ist deutlich günstiger und wesentlich ökologischer als ein Neubau. In diesem Zusammenhang möchten wir anführen, dass jetzt auch eine neue Umbaukultur notwendig ist und wir den Gebäudebestand clever nutzen müssen, statt in die Außenflächen zu gehen. Dies sollten wir als Kommune unbedingt unterstützen, da der Bausektor für rd. 40% der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist.
  • Der Hochwasserschutz, das Starkregenrisikomangagement, der Gewässerentwicklungsplan und der Katastrophenschutzplan werden endlich in Angriff genommen. Wie oft wurde dies in den vergangenen Jahren von allen Fraktionen immer wieder eingefordert. Denn, alles sind äußerst wichtige Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels und zum Schutz der Bevölkerung. Die Planungen hierzu liegen nun vor und müssen zeitnah, Schritt für Schritt, umgesetzt werden. Dazu gehören für uns auch eine bessere Versickerung öffentlicher und landwirtschaftlicher Flächen durch Versickerungsmulden und naturnahe Rückhaltezonen. Wir fordern angesichts des drohenden Wassermangels, sowie des niedrigen Grundwasserspiegels umfassende Maßnahmen zur Wasserspeicherung vorzusehen. Erst wenn die geplanten Lösungen zum Starkregen weitestgehend umgesetzt sind, kann die Umgestaltung der Ortsmitte Weissach endlich beginnen. Hier laufen die Planungen weiter, müssen aber unbedingt nochmals neu überdacht werden.
  • Die Wohnraumentwicklung in der Gemeinde
    Die Themen Wohnraumpotentiale und Leerstände müssen weiterverfolgt werden. Wichtig ist es, mit Blick auf die weitere Nutzung von Innenentwicklungspotentialen und der damit einhergehenden Verbesserung der Flächeneffizienz, einen aktuellen Überblick über die Leerstände und das potentiell entstehende Wohnangebot aufgrund der Altersstruktur der Wohnbevölkerung bis 2040 zu erhalten. Außerdem gilt es, im Rahmen der Wohnraumentwicklung, eine moderne, nachhaltige Umbaukultur zu unterstützen. Gleichzeitig müssen wir ein Angebot von seniorengerechtem Wohnraum mit möglichem Pflegeangebot in zentralen Lagen zu schaffen. In beiden Ortsteilen gibt es außerdem noch zahlreiche Innenentwicklungsmöglichkeiten und Baulücken. für die nach und nach eine Bebauung vorgesehen ist, insbesondere auch für junge Familien.
  • Schrittweise Umsetzung des Kindergartenbedarfsplanes, Sicherung einer verlässlichen Kinderbetreuung mit ausreichendem Personal
    Die Kinderbetreuung stellt für alle Kommunen auch in der Zukunft eine besondere Herausforderung dar, nicht zuletzt aufgrund des Personalmangels. Unser Ziel muss sein, alle möglichen KITA-Plätze zu belegen sowie alle Betreuungsmodelle anzubieten. Wir hoffen, dass die Verwaltung in gemeinsamen, konstruktiven Gesprächen mit den KITAS, den Eltern und Elternvertretungen gute Ideen und Lösungen findet, um diese Ziele zu erreichen. Maßnahmen zur Personalgewinnung wurden intensiviert und zeigen erste Erfolge.

Die Personalsituation entspannt sich, das Rathaus füllt sich wieder, und das ist gut so!

Die meisten Stellen konnten zwischenzeitlich wieder besetzt werden Jetzt muss der Fokus darauf liegen, dass sich die Mitarbeiter*innen im Rathaus wohl fühlen und zu einem Team zusammenfinden. Dabei muss unserer Meinung nach auf Kontinuität und Konstanz in der Verwaltung geachtet werden. Nur so wird das Rathaus zu einem guten Dienstleister für die Bürger*innen, und die großen Aufgaben und Projekte können kompetent und zügig umgesetzt. Wir finden, die Gemeindeverwaltung ist hier zwischenzeitlich auf einem sehr guten Weg.
Alle Kommunen stehen in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen. Es gilt, den Balanceakt zwischen Krisenmanagement, mit denen wir sicher weiter zu kämpfen haben und einer nachhaltigen Zukunftsgestaltung, die umso wichtiger erscheint, zu meistern. Bei all dem gilt es, dass wir verantwortungsvoll auf Sicht fahren und mit unserem finanziellen Mitteln verantwortungsbewusst und vorausschauend haushalten.

Ich möchte abschließend unser Tun und Handeln unter das Motto stellen:
„Die Zukunft sollte man nicht vorausschauen – sondern möglich machen“. Antoine de Saint-Exupéry
Wir wollen Zukunft für Weissach und Flacht möglich machen!

Dem vorliegenden Haushalt 2023 stimmt unsere Fraktion zu.
Ein besonders dickes Dankeschön an unseren Kämmer Herrn Schaber, der bisher hervorragende Arbeit geleistet und erstmals unseren Haushaltsplan erstellt hat, sowie allen Mitarbeiter*innen der Verwaltung, die am Haushaltsentwurf mitbeteiligt waren.
Petra Herter
Fraktionsvorsitzende BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN, Ortsverband Weissach

Download der Haushaltsrede

 

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